Samstag, 6. Dezember 2008

Die sozialen Bewegungen fordern mehr Gerechtigkeit in den Klimaverhandlungen

Auf den Fluren sitzen sie und diskutieren in kleinen Grüppchen. Viele sind zum ersten Mal hier, sie versuchen, die Prozessdynamik zu erfassen, um Einfluss nehmen zu können. In „Side-events“ präsentieren indigene Völker, soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Umweltverbände, Entwicklungsorganisationen, Frauennetzwerke ihre Standpunkte und Forderungen. Viele repräsentieren Gruppen, die bereits heute vom Klimawandel betroffen sind. Sie tragen traditionelle Tracht, wie ein junger Massai, um darauf aufmerksam zu machen, dass hier Entscheidungen getroffen werden, die ihr Leben beeinflusst. Es werden immer mehr. Kampagnen werden ins Leben gerufen. Auf dem Baligipfel hat sich die globale Kampagne „climate justice now“ gegründet. Gestern riefen die protestantischen Hilfswerke in Europa zum „Countdown to CO2PENHAGEN“ auf, morgen werden 170 katholische karitative Organisationen ihre Kampagne ausrufen.

Auf ihrem „Equity“ Gipfel haben Mitglieder des weltweiten Klimanetzwerks CAN und zivilgesellschaftliche Vertreter im Oktober 2008 im indischen Chennai über die Spaltungen und Unterschiede zwischen den sozialen Bewegungen und über gemeinsame Ziele diskutiert. Weitgehende Übereinstimmung haben sie bei dem Ziel von maximal 2°C Erwärmung, der gemeinsamen und unterschiedlichen Verantwortung für den Klimawandel, der Anerkennung des Rechts auf Entwicklung, die Verfolgung einer Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, die Notwendigkeit von Technologie- und Finanztransfer, die Dringlichkeit bei der Verfolgung ehrgeiziger Ziele bei der Minderung von Emissionen wie auch bei der Anpassung an den Klimawandel. Uneinigkeit bestand vor allem darin, ob man Marktkräfte einbeziehen sollte und wie der gemeinsame Weg aussieht. Die empfundene Solidarität war eine treibende Kraft und man wollte an einer vertieften politischen Analyse gemeinsam weiterarbeiten und die Dezentralisierung und Bildung von Kapazitäten in den Regionen vorantreiben. Valentin Bartha berichtet, dass die lateinamerikanischen Bewegungen offen sind, verschiedene Ansichten in ihre Bewegung zu integrieren, sie halten es für wichtig, die soziale Dimension in die Klimadiskussion einzubringen. CAN will eine Strategie verfolgen, die die Forderung nach „Equity“ zum Kern hat und sich für ein gerechtes globales Abkommen für die Zeit nach 2012 einsetzen. Thomas Athanasio stellt fest, dass man als „Community“ in einem gemeinsamen Lernprozess vorangekommen ist. Die Frage bleibt nur, ob die „Community“ schnell genug lernen kann. Diese Frage müssen sich alle stellen, die Klimapolitik gestalten.

Countdown to Copenhagen: Letzte Chance für ein gerechtes und effektives Klimaabkommen

30 Millionen Menschen mehr die hungern, 60 Millionen mehr Kranke durch Krankheiten wie Malaria, 75 Millionen Bangladeshis (50% der Bevölkerung) werden bei einem zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels um mind. 1 Meter zu Umweltflüchtlingen.
Erschreckende Zahlen – sie zeigen einen kleinen Teil dessen, was uns bevorsteht, wenn die Weltgemeinschaft es nicht schafft sich in Kopenhagen auf gerechte und effektive Verpflichtungen für die Zeit nach 2012 zu verständigen. 

Die Zeit drängt. Um den Druck auf die Regierungen in Europa zu erhöhen, wurde am Freitag in Poznan die Kampagne „Countdown to Copenhagen“ gestart. Unter anderem riefen dabei Meena Raman (Friends of the Earth international) und Sivan Kartha (Stockholm Environmental Institut) in emotionalen Statements zu mehr Gerechtigkeit und schnellem Handeln beim Lösen der Klimakrise auf. 
„Countdown to Copenhagen“ ist eine Kampagne von Christian Aid und anderen europäischen Entwicklungswerken, die im ökumenischen Netzwerk Aprodev zusammen arbeiten. Klimaschutzprojekte, Förderung erneuerbarer Energien und die Unterstützung bei der Anpassung an die unabwendbaren Einflüsse des Klimawandels werden immer wichtiger in der Projektkooperation. Momentan aber ist vor allem die Lobbyarbeit gefragt. Es geht um ein Umdenken der Industriestaaten, eine deutliche und zügige Verringerung von eigenen CO2-Emissionen, finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei ihren Bemühungen und Lösungen für einen beschleunigten Technologietransfer. 
Die Organisatoren wollen damit zahlreiche Menschen mobilisieren und die Dringlichkeit verdeutlichen, dass jetzt die Zeit für einen Durchbruch bei den Klimaverhandlungen ist. 
Über die Website www.countdowntocopenhagen.org kann jeder sein persönliches Kopenhagen Versprechen abgeben und die Regierungen der Industrieländer zu einem fairen und wirkungsvollen Verhandlungsergebnis auffordern. 

Wirtschaftliches Wachstum und die Verbesserung der Lebensbedingungen in den armen Ländern führen zu einem erhöhten CO2-Ausstoß. Es ist daher überlebenswichtig für die Menschheit, dass die Entwicklungsländer möglichst direkt einen emissionsarmen Entwicklungspfad einschlagen. Dabei müssen sie von den Industrieländern unterstützt werden, denn es ist fünf vor 12 und die Uhr tickt unerbittlich. Die Menschheit bedrohende Klimakrise und die Entwicklungskrise bedingen sich gegenseitig. Beide Krisen können jedoch nicht getrennt voneinander gelöst werden. Durch den Start der Kampagne in Poznan soll der Druck auf Großbritannien und andere EU-Mitglieder erhöht werden, um endlich den Durchbruch im Klimaschutz zu erreichen und die eigenen Verpflichtungen umzusetzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass es zu einer ausreichenden globalen Reduktion kommt, ohne dass den Ländern des Südens ein Recht auf Entwicklung verwehrt wird.

Den UN Anpassungsfonds auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards verpflichten

Die Verhandlungen um den UN-Anpassungsfonds stecken zum Ende der ersten Verhandlungswoche fest. Der Fonds war ein Jahr zuvor bei der Klimakonferenz in Bali in letzter Minute beschlossen worden, um Anpassungsmaßnahmen in den am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern zu finanzieren. Dem war ein Streit zwischen Nord und Süd vorausgegangen, bei dem es vor allem um die Governance Struktur des Fonds sowie die Modalitäten der Auszahlungen gegangen war. Eigentlich hätte der Fonds spätestens zu Beginn des nächsten Jahres seine Arbeit aufnehmen sollen. Dies scheint jetzt aber zunehmend fraglich, was viele Entwicklungsländer sehr erzürnt.

Während die Frage der Governance Struktur weitgehend und zur Zufriedenheit der Südländer gelöst ist – sie stellen die Mehrheit im obersten Entscheidungsgremium – treten die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie das Geld des Fonds ausgegeben werden soll, offen zu Tage. Entwicklungsländer fordern weitgehend unkonditionierten „direkten Zugang“, weil sie vermeiden wollen, von den Geberländern durch einseitig aufgezwungene Konditionalitäten gegängelt zu werden. Industrieländer wiederum argumentieren umgekehrt: ohne Kriterien sei das Risiko groß, dass die Mittel nicht wirksam verwendet werden. Unter Nichtregierungsorganisationen ist die Frage der Konditionalitäten noch vergleichsweise wenig diskutiert worden – bislang stand hier die Frage der ausreichenden Finanzierung im Mittelpunkt. Gerade Organisationen aus dem Süden äußern aber große Sorge, dass Geld allein nicht reicht, wenn nicht sicher gestellt ist, dass es auch wirklich bei denen ankommt, wo Anpassung am meisten Not tut.

Im Ringen um Lösungen könnte jetzt der menschenrechtliche Ansatz, für den „Brot für die Welt“, Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch in ihrer gemeinsamen Studie zu Klimawandel und Ernährungssicherung plädieren, verstärkt ins Gespräch kommen. Im Mittelpunkt steht hier die Anwendung von menschenrechtlichen Mindeststandards als Kriterien für den Anpassungsfonds. Solche Standards sind ableitbar aus dem Menschenrechtspakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bzw. dessen weiterer rechtlicher Auslegung in sogenannten „Allgemeinen Rechtskommentaren“ wie dem zum Recht auf Nahrung von 1999. Die Nutzung menschenrechtlicher Mindeststandards zur Qualifizierung der Mittelvergabe im Anpassungsfonds hätte mehrere Vorteile:
Erstens sind Menschenrechtsstandards stark darauf ausgerichtet, die Anpassungsbedürfnisse der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt zu stellen. Damit kann bewirkt werden, dass vorrangig denjenigen geholfen wird, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, sich vor dem Klimawandel zu schützen
Zweitens beinhalten sie Verfahrensregeln, die die Rechte des Einzelnen stärken, Transparenz einfordern und den Staat rechenschaftspflichtig machen. Damit kann bewirkt werden, dass strukturelle Diskriminierungen – etwa von Minderheiten – im Zuge von Anpassungsprogrammen vermieden werden.
Drittes sind menschenrechtliche Standards ohnehin geltendes Völkerrecht und weithin anerkannt. Aufgrund ihrer prinzipiell universellen Gültigkeit wäre ihre Anwendung auf den Anpassungsfonds somit keine zusätzliche Konditionalisierung. Es ginge lediglich darum, ihre implizite Anwendung auch explizit zu machen – etwa durch klare Referenzen zum völkerrechtlichen Rahmen sowie die Aufnahme entsprechender Kriterien in die Standards des Fonds. Dem könnten beide Seiten zu stimmen – Entwicklungsländer wie Industrieländer, weil sie beide unterschiedslos den völkerrechtlich verankerten Menschenrechten verpflichtet sind. Ein ähnliches Verfahren hat bereits die Welternährungsorganisation FAO praktiziert, deren 190 Mitgliedstaaten 2004 „Freiwillige Richtlinien zum Recht auf Nahrung“ zur besseren Qualifizierung nationaler Ernährungssicherungsstrategien verabschiedet hatten.

Bei einem „Side Event“ in Poznan haben „Brot für die Welt“ und Germanwatch anlässlich der Vorstellung ihrer Studie „Climate Change, Food Security and the Right to Food“ für ein solches Vorgehen geworben und viel Zustimmung erfahren. Weil dieser Ansatz potentiell geeignet ist, die Blockade bei den Verhandlungen des Anpassungsfonds aufzulösen, soll das Konzept nun rasch in Form einer formellen „Submission“ in die Verhandlungen eingebracht werden. In der nächsten Woche könnten Gespräche mit Regierungsdelegationen folgen.

Thomas Hirsch, „Brot für die Welt“

Freitag, 5. Dezember 2008

Bits and Pieces for the bunker fuels

Wie werden eigentlich die Emissionen für den internationalen Flug- und Seeverkehrs im Kyoto-Protokoll behandelt? Bisher gar nicht, da sie keinem Land eindeutig zugeordnet werden können. Die sogenannten „bunker fuels“ sind keinen Emissionsbeschränkungen unterworfen. Dies ist für ein Post-2012 Abkommen keine Lösung, zumal die Emissionen aus bunker fuels rapide wachsen. Nächstes Jahr bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen müssen Entscheidungen fallen.

Im Climate Action Network (CAN) sammelt und beobachtet eine Bunker-Arbeitsgruppe, wie die Verhandlungen geführt werden, spricht mit Delegierten und versucht, das CAN Netzwerk auf den neuesten Stand zu bringen. Flugverkehr und Klimaschutz mag in den Medien stark diskutiert werden, bei den Klimaverhandlungen ist es eher ein Thema für Exoten. Bits and pieces fallen in allen Gremien an, handfeste Verhandlungen gibt es keine. Die Agenda-Themen für bunker fuels klingen eher trocken, um nicht zu sagen abschreckend wie z.B. „Consideration of information on potential environmental, economic and social consequences, including spillover effects, of tools, policies, measures and methodoligies available to Annex 1 Parties“. Anders ausgedrückt, hier geht es um externe Effekte und andere Konsequenzen von Klimaschutzmaßnahmen. Dies betrifft auch den internationalen Tourismus. Werden die Tourismuszonen Einbußen erleiden, wenn die bunker fuels in den Emissionshandel aufgenommen werden?

Unter dem Tagesordnungspunkt „Emissions from fuel used for international aviation and maritime transport“ durften in jeweils zwei Minuten die ICAO (International Civil Aviation Organisation) und IMO (International Meterological Organisation) berichten, was sie machen und vorhaben. Die Kürze der Zeit entschuldigt allerdings nur teilweise, dass die Berichte inhaltlich eher dünn waren. Die ICAO sprach von einem entwickelten Emissionsrechner, von Emissionsmodellierungen mit diversen Zeithorizonten und von einer Konferenz zur Nutzung von Biofuel im Flugverkehr. Die IMO glänzte mit der Ankündigung , ein Maßnahmenpaket auf den Weg zu bringen.

Von einer überschwänglichen Erwartungshaltung zur Einbeziehung der bunker fuels ist nichts zu merken. Delegierte rechnen eher damit, dass die bunkers, wenn überhaupt, eher last minute in ein Post-2012 Agreement aufgenommen werden. Oder vielleicht auch nicht. Für einen erfolgreichen neuen Klimadeal in Kopenhagen werden sie als nebensächlich angesehen. Die Konferenz in Poznan gleicht mehr einer Sensibilisierungsveranstaltung. Die Befürworter für die Aufnahme in ein Post-2012 Abkommen suchen nach Verbündeten, versuchen das Thema neben den anderen Themen zu behaupten. Bis dahin ist es noch ein weiter und mühsamer Weg. Auch im CAN Netzwerk gehört das Thema nicht zu den Top-Runnern. Mit gerade mal 5 Leuten nimmt sich die Arbeitsgruppe eher bescheiden aus, neben Groß-AGs wie Adaptation und Technologietransfer. Neuzugänge in der AG werden daher liebevoll als „bunkersbabies“ von den „Dinosauriern“ aufgenommen.

Civil societies and humanitarian people of the Developed World: You can change the climate of the climate change conference

Physically we are living in one world but economically we are living in three worlds: Developed, Developing and Least Developed. Some integrates these three into North and South. Whatever the name of demarcation, we cannot deny that we are living in a divided world where human beings are receiving differential treatment throughout their life just because of their place of birth.

However, there is yet some ray of hopes can be traced in the gloomy sky of the Physical World. And for that one has to give credit to the civil societies and humanitarian people of the Developed World. When Northern Governments are trying to avoid the voice of the Southern Governments in climate change negotiations, civil societies and humanitarian people of the North are working hard to provide space for the Southern Voices to change the climate of the climate change conference. The government of the Developed (in UNFCCC technical terms Annex 1) Countries should learn from their civil societies and humanitarian countrymen to make a better climate for the world. 

We would like to urge to humanitarian and compassionate people of the Developed world that if your government does not want to feel the pain of the people living with climate vulnerability, please educate them and make them aware. We the Southern people have faith on your capacity and believe that you can do it and you will do it.

S. Jahangir Hasan Masum

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Anpassung an den Klimawandel - Bleiben die Gemeinschaften im Regen stehen?

Bereits vor 30 Jahren haben die Alten der Algonquinindianer im Norden Kanadas die Veränderung der Schneequalitäten und Wetterregime festgestellt und gewarnt. Heute weiß man, dass der Klimawandel die Bestände der Karibou und der von ihr lebenden Völker bedroht. Auch wenn in den meisten Sprachen dieser Erde der Begriff Klimawandel nicht einfach übertragen werden kann, so stellen Gemeinschaften rund um den Globus fest, dass ihre Lebensräume sich verändern und ihre Existenz bedroht wird. 

Auf einem Side Event präsentierte das Bangladesh Centre for Advanced Studies Erfahrungen aus „community based“ Projekten in Südasien und Afrika. Dorfgemeinschaften ernten Wasser, legen Dämme und Teiche an, greifen auf angepasste Pflanzensorten oder auf traditionelle Anbautechniken zurück, legen Beete auf Wasserhyazinthen im Wasser an, züchten Kürbisse auf Sandbänken im Fluss und vieles mehr. Staaten wie Bangladesch erkennen die Bedeutung von effektiven und glaubwürdigen Nichtregierungsorganisation vor Ort an, die mit den Gemeinschaften zusammenarbeiten. Kontinent übergreifend wurde die Erfahrung gemacht, dass ein eigenständiger Lernprozess in den Gemeinschaften zentral ist, in dem traditionelles Wissen und wissenschaftliche Konzepte zu Klimawandel sich gegenseitig ergänzen. Nichtregierungsorganisationen verfügen über Erfahrungen und Methoden, um mit Gemeinschaften Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln. Denn die Menschen vor Ort sind schon heute damit konfrontiert, nach neuen Wegen zu suchen. Doch oft gibt es keine Entsprechung von staatlichen Strukturen und Politiken auf regionaler und nationaler Ebene. 
Es ist eine große, noch ungelöste Herausforderung, wie angepasste Lösungen anderen Gemeinschaften zugänglich gemacht werden können. Aber der Prüfstein an dem die am wenigsten entwickelten Entwicklungsländer hier in Poznan die Verhandlungen messen, ist der direkte Zugang und die Höhe der zur Verfügung gestellten Mittel. 

Mittwoch, 3. Dezember 2008

„What are we doing here?“ – Aus Sicht des Südens sind die laufenden Klimaverhandlungen eine Farce

Auf dem Podium, das das weltweit anerkannte Third World Network (TWN) einberufen hat, um die politischen Erwartungen an die Verhandlungen zu diskutieren, sitzt in Gestalt von fünf Delegierten die geballte Erfahrung von zusammen mehr als 60 Verhandlungsjahren. 

Bernarditas de Castro-Muller etwa sitzt seit der ersten Klimakonferenz vor inzwischen 16 Jahren in der philippinischen Delegation und bringt ihre Bewertung auf den Punkt: seit 1992 sind die Reduktionsziele der Industrieländer für Treibhausgase gleich geblieben. Statt sie aber umzusetzen, seien die Verhandlungen immer wieder verschleppt worden. Währenddessen sind die Emissionen kontinuierlich gestiegen. Dass Castro-Muller dennoch jedes Jahr an wochenlangen Verhandlungen teilnimmt, erklärt die charismatische Frau damit, „dass der Süden eben noch nicht aufgegeben habe, ums Überleben zu kämpfen.“

Auch der ehemalige indische Umweltminister Surya spart nicht mit harscher Kritik an der Verhandlungsführung zahlreicher Industrieländer: „ Auf das gemeinsame Ziel der weltweiten Klimapolitik haben wir uns schon vor 16 Jahren bei der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention UNFCCC geeinigt. Wenn wir heute immer noch darüber reden, was die langfristige gemeinsame Vision sein soll, muss man sich schon fragen, ob wir noch normal sind.“

Martin Khor vom Third World Network spricht aus, was fast alle im brechend gefüllten Raum denken: Angesichts der immer bedrohlicheren Auswirkungen des Klimawandels ist die Zeit für nutzloses Gerede endgültig abgelaufen und die Zeit zum Handeln gekommen. Anders aber, als viele im Norden, sieht er mitnichten Europa in einer Vorreiterrolle. Vielmehr liege es am Süden, die Vision einer klimagerechten Welt gegen eine unheilige Allianz von Politik und Wirtschaft im Norden durchzusetzen.

Nachdenklich mag man einwenden, woher der Optimismus kommt, zu glauben, dass es die Eliten des Südens besser machen würden. Und ob es nicht vielmehr an der Zeit sei, beim Klimaschutz das ideologische Blockdenken von Süd und Nord zu überwinden, weil die Welt im Zeitalter der Globalisierung ungleich komplexer geworden ist.

Eines allerdings liegt in diesen Tagen klar auf der Hand: Europa und insbesondere Deutschland, stehen kurz davor, jegliche klimapolitische Glaubwürdigkeit zu verspielen. Während nämlich in Poznan bisher nur geredet wird, schaffen Berlin und Brüssel längst Fakten. Es fehlt wenig, und das einst so ambitionierte Klimapaket der EU ist von Industrielobbyisten erfolgreich durchlöchert worden. Wer weitreichende Ausnahmen vom Klimaschutz für deutsche Kohlekraftwerke, deutsche Automobilhersteller und besonders klimaschädliche Industrien insgesamt erwirkt, hat sein Gesicht gegenüber dem Süden verloren und darf sich nicht mehr wundern, solch vernichtende Kritik vom Süden zu hören. 

(Thomas Hirsch, Georg Richarz)

Dienstag, 2. Dezember 2008

Billionen für Banken, Brotkrumen für Entwicklungsländer - Wo bleibt die Glaubwürdigkeit?

Die finanziellen Mechanism der Konvention, insbesondere die Global Envirnoment Facility GEF wurden in der Sitzung des SBI (Supplementary Body of Implementation) am Dienstag behandelt. Der dort eingerichtete LDC-Fond für Entwicklungsländer dient der Umsetzung von dringenden Projekten zur Anpassung an den Klimawandel, wie sie in den Nationalen Handlungsplänen NAPAs identifiziert wurden. 
Eine Delegierte der Philippinen kritisierte, dass der Fonds mit einem Volumen von 170 Mio. $ stark unterfinanziert sei, wenn man ihn mit den Billionen vergleicht, die für die Rettung der Banken ausgegeben wuerde. Die administrativen Kosten für die Erstellung der NAPAs und der Projekte steht demgegenüber in keiner Relation. Man gäbe sogar Unsummen für Workshops aus, auf denen der Zugang zu diesen Fondsmitteln diskutiert wird. Dabei sei es das Geld der Entwicklungsländer. Ein Delegierter Nigerias bekundete seinen Unmut über die Haltung der Industriestaaten (besonders über die neue G20). Er fordert von diesen Staaten ein ebenso entschiedenes Vorgehen gegen den Klimawandel wie gegen die globale Finanzkrise. Dort hätten die Staaten bewiesen, dass sie schnell und effektiv handeln können. Es sei nun endlich an der Zeit, dass sie zu ihren Versprechen stünden und vor allem ihre finanziellen Zusagen für den LDC-Fund einlösten. Die finanzielle Aussstattung des Fonds sei zu einer Frage der Glaubwürdigkeit geworden. 
Bhutan ist das erste Land, welches Gelder für die Umsetzung von dringlichen Projekten zur Anpassung an den Klimawandel erhält, doch es werden nur 3 von 9 Projekten gefördert. Als man in Marakesh 2001 einen Fonds für die nötigsten und dringendsten Anpassungsmaßnahmen beschloss, hatte man die Hoffnung die wichtigsten Herausforderungen in wenig entwickelten Entwicklungsländern angehen zu können. Jetzt sei die Wortwahl „nötig und drängend“ zu überdenken. Daraufhin hinterfragte Kiribati den Auftrag und die Funktionsweise des Fonds: sei es Aufgabe des Fonds, Länder anzuweisen oder unterstütze der Fonds die Umsetzung von Projekten? 

Montag, 1. Dezember 2008

Emotionaler Auftakt in der NGO-Community

Die 14. UN-Weltklimakonferenz hat nicht am 01. Dezember begonnen, sondern schon einen Tag vorher - zumindest für die entwicklungs- und umweltpolitischen Organisationen. Mehr als 200 Leute kamen in die Universität zur traditionellen gemeinsamen Strategiesitzung des Climate Action Network (CAN). Im gut gefüllten Hörsaal war eines ganz klar: Der Weg von Bali nach Kopenhagen führt über Poznan. Jetzt müssen die entscheidenden Grundlagen gelegt werden, damit in Kopenhagen ein neues Klimaabkommen verabschiedet wird.  

Langanhaltenden Applaus bekam ein NGO-Vertreter aus Indien als er die Anwesenden aufforderte doch nicht mehr von „Burden Sharing“ zu sprechen, wenn es um Anstrengungen zur Verringerung der Treibhausgase geht. Wer teilt hier welche Last, fragte er. Wenn Menschen in den Entwicklungsländern unter den Folgen des Klimawandels leiden, dann ist das eine wahre Last. Wer dieses Los mit den Betroffenen teilen möchte, kann dann von „Burden Sharing“ sprechen. Emissionsreduktionen sind dagegen Anstrengungen, die die entwickelten Länder machen müssen, um weitere Last für die Entwicklungsländer zu verhindern. 

Frenetisch bejubelt wurde auch die Feststellung eines Amerikaners, dass dies die letzte COP für Bush ist. Neben Emotionen und Selbstvergewisserung des eigenen Handelns, gab es auch intensive Debatten zu den Verhandlungsthemen in Poznan. Untergruppen erarbeiteten Strategien zu Anpassung, Technologietransfer, Emissionsreduktion und Waldschutz. 

Einen Tag vor der offiziellen Eröffnung der Klimakonferenz sind die zivilgesellschaftlichen Lobbyisten gut aufgestellt und zeigen Entschlossenheit, für ein effektives und vor allem faires Verhandlungsergebnisse auf der 14. Klimakonferenz in Polen zu kämpfen.