Samstag, 13. Dezember 2008

Keine Einigung über Finanzierung für Entwicklungsländer

In der letzten Verhandlungsnacht konnten sich die Minister in zentralen Fragen zu dem letzten großen Thema – der finanziellen Unterstützung von Klimaschutz und Anpassung in den Entwicklungsländern – nicht einigen. Bisher stehen viel zu wenige Gelder für die notwendigen Maßnahmen zur Verfügung, damit Entwicklungsländer sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können. Und auch für den Klimaschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern hatten sich die Staaten auf dem letzten Klimagipfel in Bali darauf geeinigt, dass dies nur mit finanzieller Unterstützung durch die Industrieländer realisiert werden kann. Dennoch waren die Industrieländer in Poznan nicht bereit, sich auf eine schnelle Ausweitung der Finanzierung einzulassen oder sich zu Verhandlungen über den konkreten langfristigen Ausbau der Finanzierung zu verpflichten. Die Entwicklungsländer konnten also sich mit ihren Vorschlägen nicht durchsetzen, die sie auf den Klimagipfel mitgebracht haben.

Damit ist mit dem Klimagipfel in Poznan eine wichtige Gelegenheit verpasst worden, den internationalen Klimaschutz einen entscheidenden Schritt voranzubringen. Zwar sind die formalen Voraussetzungen für ein neues Klimaabkommen im nächsten Dezember geschaffen worden. Diese müssen aber noch gefüllt werden – und das heißt, dass die Länder viel schneller und ernsthafter zu einer Einigung finden müssen, als die in Poznan der Fall war. Vor allem die Industrieländer stehen hier in der Pflicht: Sie müssen sich zu ehrgeizigen Minderungszielen zu verpflichten und konkrete Maßnahmen für die Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern zu erarbeiten.

Freitag, 12. Dezember 2008

„Yes, we can“ – Aber wollen wir auch?

Die Klimakonferenz geht ihrem Ende entgegen. Die Hektik nimmt überall noch mal stark zu. Es wird wohl noch am Samstag weiter getagt. Der deutsche Umweltminister Sigmar Gabriel stellt in seiner Pressekonferenz zum Stand der Verhandlungen fest, dass Poznan die Ergebnisse erbracht hat, die erwartet wurden. Es seien klare Verhandlungsmandate verabschiedet worden für einen Vertragsentwurf, der bis Juni 2009 vorliegen muss, um ihn im Dezember 2009 völkerrechtlich umsetzen zu können. Diese Mandate sind allerdings auf den Weg gebracht worden, obwohl viele Industriestaaten sich noch nicht auf die Erreichung möglicher CO2-Reduzierungsziele festlegen wollten. Grund für Gabriels positive Sichtweise ist auch die Verabschiedung des EU Klima- und Energiepaktes. Die meisten NGO-Aktivisten bei der Klimakonferenz sehen dies allerdings anders. In den letzen Tagen liefen daher die Drähte heiß, um mit öffentlichem Protest noch Schlimmeres zu verhindern.

Positive aus Sicht des Ministers ist zudem der Fortschritt beim Adaptation Fund, bei dem die Entwicklungsländer nun wohl endlich direkten Zugang erhalten werden, wenn sie ausreichende Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ablegen. Allerdings ist das Finanzvolumen des Funds bisher noch in keinster Weise ausreichend und notwendige Regeln zur Aufstockung desselben werden auch erst in Kopenhagen 2009 verabschiedet. 

Aus Sicht der internationalen NGO-Community hat das jetzt verabschiedete EU-Paket eine deutlich bremsende Wirkung auf die Verhandlungen. Allgemeiner Kommentar ist, dass damit die Ära der europäischen Führungsrolle im Klimaschutz beendet ist. Denn die Anfangs enthaltene Automatik einer Verpflichtung der EU auf 30% Reduktion bis 2020, wenn sich die Welt in Kopenhagen auf ein Reduktionsziel im Rahmen der IPCC-Empfehlunge (25-40%) einigt, ist mittlerweile raus gefallen. 

Es ist also ein zwiespältiges Ergebnis, das sich in den letzten Stunden der Konferenz abzeichnet: Einerseits die Industriestaaten mit einer positiven Bilanz und der immer wiederholten Beteuerung von notwendigem Handeln auf allen Gebieten im Süden wie im Norden. Entwicklungsländer und NGOs auf der anderen Seite sprechen von tiefer Enttäuschung, denn viele Entscheidungen sind nicht auf den Weg gebracht und 2008 ist ein vergeudetes Jahr ohne wirklichen Fortschritt bei den substantiellen Themen. Gerade bei der Festlegung von ambitionierten Reduktionszielen für einen Post-2012 Zeitraum (um die Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 2°C zu erreichen) und bei der neuen Finanzarchitektur hätte es Entscheidungen geben müssen, um 2009 in Kopenhagen einen gerechten und ambitionierten Vertrag unterzeichnen zu können.

So bleibt am Ende dieses zweiwöchigen Verhandlungsmarathons die Gewissheit, dass zwar alle irgendwie zu einem neuen Vertrag kommen möchten (und dies auch können und müssen, wie Al Gore in einer emotionalen Rede am Freitagmittag den Konferenzteilnehmern zuruft). Es ist aber nicht sicher, wie sehr es die einzelnen Staaten auch wollen und wie bereit der Norden und der Süden für ein Abweichen von den jeweiligen konfrontativen Positionen sind. 

Fossil of the Day – Deutschland auf der „dunklen Seite“


Zum Ende der Klimakonferenz fand heute die letzte Verleihung des „Fossil of the Day“ (Dinosaurier des Tages) statt. Damit ehrt das Climate Action Network (CAN) Länder für besonders schädliches Verhalten in den Klimaverhandlungen. Auch diesmal gehörte die Europäische Union zu den Gewinnern und landete auf dem zweiten Platz für das EU Klima- und Energiepaket. Nachdem sie auf dem Klimagipfel die Notwendigkeit betonten, die globale Klimaerwärmung auf 2° Celsius zu begrenzen, verabschiedeten sie heute in Brüssel ein Paket, das einen zukünftigen Temperaturanstieg von 4° Celsius bedeutet. Damit scheinen sich die EU Staaten der Einschätzung von Italiens Premierminister Berlusconi angeschlossen zu haben, der meinte, dass Klimaschutz in einer Finanzkrise so wichtig ist wie ein Besuch beim Friseur während einer Lungenentzündung.

Deutschland kam bei der Verleihung zu besonderen Ehren. Ihm und Kanzlerin Merkel wurde der spezielle „Dark Side of the Fossil Awards“ für besondere Verdienste im Kollaps der europäischen Führung in den Klimaverhandlungen verliehen. Die Umweltorganisationen prangern an, dass das EU Klimapaket den Bau neuer Kohlekraftwerke und damit die Fortführung fossiler Energie unterstützt, die „den Himmel weltweit und vor allem in Kopenhagen verdunkeln“. Kanzlerin Merkel hat damit auf die „dunkle Seite“ gewechselt. Die Frage stellt sich also: Wird Deutschland und die EU auf die grüne Seite des Fossils zurückkehren? Werden die Länder eine Allianz bilden, die den Klimaschutz – und die Zukunft der Menschen in Entwicklungsländern retten?

Klimaflüchtlinge - eine neue Herausforderung

Dass Menschen vor den Folgen des Klimawandels ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage verlieren, ist schon heute Realität. So mussten zum Beispiel Dutzende Familien von Atollen flüchten, die Bouganville Island vorgelagert sind. Geographisch gehören sie zu den Solomon Inseln, politisch zu Papua Neu Guinea. Die Atolle sind aufgrund des Meeresspiegelanstiegs im Meer versunken. Weder sind die Betroffenen entschädigt worden, noch hat sich der Staat um ihre Umsiedlung gekümmert, so Eric Kwa, ein Anwalt aus Papua Neu Guinea. Wären da nicht enge verwandtschaftliche Bande gewesen und hätte nicht eine Kirchengemeinde Land für die Klima-Flüchtlinge zur Verfügung gestellt – sie wären sich selbst überlassen geblieben. In Bangladesh sind es nach Angaben des National Climate Change Network Bangladesh, NCCB, ebenfalls Tausende, die schon vor dem Meeresspiegelanstieg in Städte im Hinterland geflüchtet sind. Und in Kenia weiden erste Nomaden ihre Herden infolge Wassermangels bereits auf innerstädtischen Grünflächen.

Weltweit sind derzeit etwa 40 Millionen Menschen infolge von Krieg und Gewalt auf der Flucht. Bis zum Jahr 2050, so schätzt man, werden zwischen 25 Millionen und eine Milliarde Menschen aufgrund von Klimawandel und ökologischer Degradierung ihre Heimat verlassen müssen! Wenn sich diese Prognose auch nur annährend bewahrheitet, hätte dies weitreichendste Auswirkungen sozialer, politischer und rechtlicher Art.

Auf der Klimakonferenz in Poznan wurde das Thema zwar in den Eröffnungsreden des polnischen sowie des algerischen Umweltministers im Namen der afrikanischen Länder angesprochen. Jedoch hat es bislang noch keinerlei Eingang in die Verhandlungen gefunden. Das ist erstaunlich, hält man sich vor Augen, dass sich die Anzahl von Naturkatastrophen in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt haben – wobei es sich wiederum in mindestens 75 Prozent aller Fälle um wetterbedingte Katastrophen handelt.

Risikominderung und präventiver Katastrophenschutz werden in Zukunft noch deutlich mehr Stellenwert erlangen – und stellen viele arme Länder vor völlig neue Herausforderungen. Die Verknüpfung von Katastrophenvorsorge und langfristiger, existenzsichernder Anpassungsstrategien im Sinne nachhaltiger Entwicklung, wie sie „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe derzeit beginnen, wird von dem Experten-Netzwerk humanitärer Organisationen, Inter-Agency Standing Committee (IASC) als ein wichtiger Ansatz erachtet, um der Problematik massenhafter Migration durch Klimawandel vorbeugend zu begegnen.

Aber auch unter dem Gesichtspunkt der internationalen Beziehungen, der Entwicklungs- und der Sicherheitspolitik gewinnt das Thema an Bedeutung, wie an der zunehmenden Zahl von entsprechenden Fachtagungen abzulesen ist. Freilich – auch hier steht die Debatte noch sehr am Anfang. In der deutschen Entwicklungspolitik jedenfalls gibt es hierzu noch keine Strategie.

Auch in der völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Debatte werden Klimaflüchtlinge als Thema noch kaum wahrgenommen. Dabei handelt es sich bei den ersten Klimaflüchtlingen um Präzedenzfälle: Welche Rechte haben diejenigen, die durch eine menschgemachte Katastrophe alles verloren haben gegenüber ihren Staaten, aber auch gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft – beziehungsweise insbesondere gegenüber den Verursachern des Klimawandels? Wird hier nicht das „no harm“ Prinzip verletzt? Und: wer kommt für den Schaden auf: Kann das „Polluter Pays Principle“ Anwendung finden? Viele Fragen mit so großer Tragweite, dass sie guter Antworten bedürfen! Eine fundierte menschenrechtliche Analyse scheint hier sehr dringend geboten.

Thomas Hirsch, Brot für die Welt

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Klimaverhandlungen missachten die Rechte indigener Völker

In dieser Woche, in denen in Polen die Klimaverhandlungen stattfinden, hat sich zum 60. Mal die Menschenrechtserklärung – einem der bedeutendsten Dokumente in der Entwicklung des Völkerrechts – gejährt. Der Klimawandel hat dramatische Auswirkungen auf die arme Bevölkerung in den Entwicklungsländern und wird in Zukunft die Verwirklichung zentraler Menschenrechte, darunter das Recht auf Nahrung und Wasser, für viele Menschen nahezu unmöglich machen. Dies trifft auch im Besonderen auf die indigenen Völker, deren fundamentale Grundrechte in der UN-Erklärung zu den Rechten indigener Völker von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt wurden.

Dabei sind indigene Völker sind nicht nur durch die Folgen von Klimawandel betroffen, sondern auch durch die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Dies betrifft vor allem durch Agrartreibstoffe, Maßnahmen des Waldschutzes und dem Clean Development Mechanism (CDM), durch den Industrieländer Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern durchführen. Deren Auswirkungen für indigene Völker sind Landverlust, Zwangsumsiedelung usw.. Hierdurch wird das Recht auf Selbstbestimmung und ihre Grundrechte auf Land, Zugang zu Ressourcen und kulturelle Identität gefährdet. In den Klimaverhandlungen wird aber bisher nicht anerkannt, dass indigene Völker fundamentale und kollektive Rechte haben, die von einem Klimaabkommen beachtet werden müssen. So stritt beispielsweise die USA in den Verhandlungen die Existenz von kollektiven Rechten indigener Völker ab, und betonte stattdessen, dass diese nur individuelle Rechte hätten. Auch in Vereinbarungen zu einem Systems des Waldschutzes und der Verhinderung von Abholzung (Reducing Emissions from Deforestation and Degratation, REDD) finden sich inzwischen nur noch vage Referenzen. Ebenfalls keine Erwähnung finden Transparenz und good governance sowie wie die eigentliche Ursache von Abholzung – Korruption und illegale Abholzungen durch die Holzindustrie.

Die internationalen Klimaverhandlungen müssen die Rechte indigener Völker vollständig anerkennen und sicherstellen, dass Waldschutzprojekte nur unter Beteiligung und mit Zustimmung dieser Völker durchgeführt werden. Alles andere verletzt die fundamentalen Menschenrechte indigener Völker und schadet auch dem Klimaschutz. Gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der indigenen Völker hat Brot für die Welt eine Resolution unterzeichnet, die dies öffentlich anprangert und fordert, dass die Rechte der indigenen Völker und der Bezug zur UN Erklärung in den Verhandlungstext für ein zukünftiges Klimaabkommen wieder aufgenommen werden.