Freitag, 12. Dezember 2008

Klimaflüchtlinge - eine neue Herausforderung

Dass Menschen vor den Folgen des Klimawandels ihr Zuhause und ihre Existenzgrundlage verlieren, ist schon heute Realität. So mussten zum Beispiel Dutzende Familien von Atollen flüchten, die Bouganville Island vorgelagert sind. Geographisch gehören sie zu den Solomon Inseln, politisch zu Papua Neu Guinea. Die Atolle sind aufgrund des Meeresspiegelanstiegs im Meer versunken. Weder sind die Betroffenen entschädigt worden, noch hat sich der Staat um ihre Umsiedlung gekümmert, so Eric Kwa, ein Anwalt aus Papua Neu Guinea. Wären da nicht enge verwandtschaftliche Bande gewesen und hätte nicht eine Kirchengemeinde Land für die Klima-Flüchtlinge zur Verfügung gestellt – sie wären sich selbst überlassen geblieben. In Bangladesh sind es nach Angaben des National Climate Change Network Bangladesh, NCCB, ebenfalls Tausende, die schon vor dem Meeresspiegelanstieg in Städte im Hinterland geflüchtet sind. Und in Kenia weiden erste Nomaden ihre Herden infolge Wassermangels bereits auf innerstädtischen Grünflächen.

Weltweit sind derzeit etwa 40 Millionen Menschen infolge von Krieg und Gewalt auf der Flucht. Bis zum Jahr 2050, so schätzt man, werden zwischen 25 Millionen und eine Milliarde Menschen aufgrund von Klimawandel und ökologischer Degradierung ihre Heimat verlassen müssen! Wenn sich diese Prognose auch nur annährend bewahrheitet, hätte dies weitreichendste Auswirkungen sozialer, politischer und rechtlicher Art.

Auf der Klimakonferenz in Poznan wurde das Thema zwar in den Eröffnungsreden des polnischen sowie des algerischen Umweltministers im Namen der afrikanischen Länder angesprochen. Jedoch hat es bislang noch keinerlei Eingang in die Verhandlungen gefunden. Das ist erstaunlich, hält man sich vor Augen, dass sich die Anzahl von Naturkatastrophen in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt haben – wobei es sich wiederum in mindestens 75 Prozent aller Fälle um wetterbedingte Katastrophen handelt.

Risikominderung und präventiver Katastrophenschutz werden in Zukunft noch deutlich mehr Stellenwert erlangen – und stellen viele arme Länder vor völlig neue Herausforderungen. Die Verknüpfung von Katastrophenvorsorge und langfristiger, existenzsichernder Anpassungsstrategien im Sinne nachhaltiger Entwicklung, wie sie „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe derzeit beginnen, wird von dem Experten-Netzwerk humanitärer Organisationen, Inter-Agency Standing Committee (IASC) als ein wichtiger Ansatz erachtet, um der Problematik massenhafter Migration durch Klimawandel vorbeugend zu begegnen.

Aber auch unter dem Gesichtspunkt der internationalen Beziehungen, der Entwicklungs- und der Sicherheitspolitik gewinnt das Thema an Bedeutung, wie an der zunehmenden Zahl von entsprechenden Fachtagungen abzulesen ist. Freilich – auch hier steht die Debatte noch sehr am Anfang. In der deutschen Entwicklungspolitik jedenfalls gibt es hierzu noch keine Strategie.

Auch in der völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Debatte werden Klimaflüchtlinge als Thema noch kaum wahrgenommen. Dabei handelt es sich bei den ersten Klimaflüchtlingen um Präzedenzfälle: Welche Rechte haben diejenigen, die durch eine menschgemachte Katastrophe alles verloren haben gegenüber ihren Staaten, aber auch gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft – beziehungsweise insbesondere gegenüber den Verursachern des Klimawandels? Wird hier nicht das „no harm“ Prinzip verletzt? Und: wer kommt für den Schaden auf: Kann das „Polluter Pays Principle“ Anwendung finden? Viele Fragen mit so großer Tragweite, dass sie guter Antworten bedürfen! Eine fundierte menschenrechtliche Analyse scheint hier sehr dringend geboten.

Thomas Hirsch, Brot für die Welt

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