Mittwoch, 3. Dezember 2008

„What are we doing here?“ – Aus Sicht des Südens sind die laufenden Klimaverhandlungen eine Farce

Auf dem Podium, das das weltweit anerkannte Third World Network (TWN) einberufen hat, um die politischen Erwartungen an die Verhandlungen zu diskutieren, sitzt in Gestalt von fünf Delegierten die geballte Erfahrung von zusammen mehr als 60 Verhandlungsjahren. 

Bernarditas de Castro-Muller etwa sitzt seit der ersten Klimakonferenz vor inzwischen 16 Jahren in der philippinischen Delegation und bringt ihre Bewertung auf den Punkt: seit 1992 sind die Reduktionsziele der Industrieländer für Treibhausgase gleich geblieben. Statt sie aber umzusetzen, seien die Verhandlungen immer wieder verschleppt worden. Währenddessen sind die Emissionen kontinuierlich gestiegen. Dass Castro-Muller dennoch jedes Jahr an wochenlangen Verhandlungen teilnimmt, erklärt die charismatische Frau damit, „dass der Süden eben noch nicht aufgegeben habe, ums Überleben zu kämpfen.“

Auch der ehemalige indische Umweltminister Surya spart nicht mit harscher Kritik an der Verhandlungsführung zahlreicher Industrieländer: „ Auf das gemeinsame Ziel der weltweiten Klimapolitik haben wir uns schon vor 16 Jahren bei der Verabschiedung der Klimarahmenkonvention UNFCCC geeinigt. Wenn wir heute immer noch darüber reden, was die langfristige gemeinsame Vision sein soll, muss man sich schon fragen, ob wir noch normal sind.“

Martin Khor vom Third World Network spricht aus, was fast alle im brechend gefüllten Raum denken: Angesichts der immer bedrohlicheren Auswirkungen des Klimawandels ist die Zeit für nutzloses Gerede endgültig abgelaufen und die Zeit zum Handeln gekommen. Anders aber, als viele im Norden, sieht er mitnichten Europa in einer Vorreiterrolle. Vielmehr liege es am Süden, die Vision einer klimagerechten Welt gegen eine unheilige Allianz von Politik und Wirtschaft im Norden durchzusetzen.

Nachdenklich mag man einwenden, woher der Optimismus kommt, zu glauben, dass es die Eliten des Südens besser machen würden. Und ob es nicht vielmehr an der Zeit sei, beim Klimaschutz das ideologische Blockdenken von Süd und Nord zu überwinden, weil die Welt im Zeitalter der Globalisierung ungleich komplexer geworden ist.

Eines allerdings liegt in diesen Tagen klar auf der Hand: Europa und insbesondere Deutschland, stehen kurz davor, jegliche klimapolitische Glaubwürdigkeit zu verspielen. Während nämlich in Poznan bisher nur geredet wird, schaffen Berlin und Brüssel längst Fakten. Es fehlt wenig, und das einst so ambitionierte Klimapaket der EU ist von Industrielobbyisten erfolgreich durchlöchert worden. Wer weitreichende Ausnahmen vom Klimaschutz für deutsche Kohlekraftwerke, deutsche Automobilhersteller und besonders klimaschädliche Industrien insgesamt erwirkt, hat sein Gesicht gegenüber dem Süden verloren und darf sich nicht mehr wundern, solch vernichtende Kritik vom Süden zu hören. 

(Thomas Hirsch, Georg Richarz)

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