Samstag, 6. Dezember 2008

Den UN Anpassungsfonds auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards verpflichten

Die Verhandlungen um den UN-Anpassungsfonds stecken zum Ende der ersten Verhandlungswoche fest. Der Fonds war ein Jahr zuvor bei der Klimakonferenz in Bali in letzter Minute beschlossen worden, um Anpassungsmaßnahmen in den am schlimmsten vom Klimawandel betroffenen Entwicklungsländern zu finanzieren. Dem war ein Streit zwischen Nord und Süd vorausgegangen, bei dem es vor allem um die Governance Struktur des Fonds sowie die Modalitäten der Auszahlungen gegangen war. Eigentlich hätte der Fonds spätestens zu Beginn des nächsten Jahres seine Arbeit aufnehmen sollen. Dies scheint jetzt aber zunehmend fraglich, was viele Entwicklungsländer sehr erzürnt.

Während die Frage der Governance Struktur weitgehend und zur Zufriedenheit der Südländer gelöst ist – sie stellen die Mehrheit im obersten Entscheidungsgremium – treten die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie das Geld des Fonds ausgegeben werden soll, offen zu Tage. Entwicklungsländer fordern weitgehend unkonditionierten „direkten Zugang“, weil sie vermeiden wollen, von den Geberländern durch einseitig aufgezwungene Konditionalitäten gegängelt zu werden. Industrieländer wiederum argumentieren umgekehrt: ohne Kriterien sei das Risiko groß, dass die Mittel nicht wirksam verwendet werden. Unter Nichtregierungsorganisationen ist die Frage der Konditionalitäten noch vergleichsweise wenig diskutiert worden – bislang stand hier die Frage der ausreichenden Finanzierung im Mittelpunkt. Gerade Organisationen aus dem Süden äußern aber große Sorge, dass Geld allein nicht reicht, wenn nicht sicher gestellt ist, dass es auch wirklich bei denen ankommt, wo Anpassung am meisten Not tut.

Im Ringen um Lösungen könnte jetzt der menschenrechtliche Ansatz, für den „Brot für die Welt“, Diakonie Katastrophenhilfe und Germanwatch in ihrer gemeinsamen Studie zu Klimawandel und Ernährungssicherung plädieren, verstärkt ins Gespräch kommen. Im Mittelpunkt steht hier die Anwendung von menschenrechtlichen Mindeststandards als Kriterien für den Anpassungsfonds. Solche Standards sind ableitbar aus dem Menschenrechtspakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bzw. dessen weiterer rechtlicher Auslegung in sogenannten „Allgemeinen Rechtskommentaren“ wie dem zum Recht auf Nahrung von 1999. Die Nutzung menschenrechtlicher Mindeststandards zur Qualifizierung der Mittelvergabe im Anpassungsfonds hätte mehrere Vorteile:
Erstens sind Menschenrechtsstandards stark darauf ausgerichtet, die Anpassungsbedürfnisse der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt zu stellen. Damit kann bewirkt werden, dass vorrangig denjenigen geholfen wird, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, sich vor dem Klimawandel zu schützen
Zweitens beinhalten sie Verfahrensregeln, die die Rechte des Einzelnen stärken, Transparenz einfordern und den Staat rechenschaftspflichtig machen. Damit kann bewirkt werden, dass strukturelle Diskriminierungen – etwa von Minderheiten – im Zuge von Anpassungsprogrammen vermieden werden.
Drittes sind menschenrechtliche Standards ohnehin geltendes Völkerrecht und weithin anerkannt. Aufgrund ihrer prinzipiell universellen Gültigkeit wäre ihre Anwendung auf den Anpassungsfonds somit keine zusätzliche Konditionalisierung. Es ginge lediglich darum, ihre implizite Anwendung auch explizit zu machen – etwa durch klare Referenzen zum völkerrechtlichen Rahmen sowie die Aufnahme entsprechender Kriterien in die Standards des Fonds. Dem könnten beide Seiten zu stimmen – Entwicklungsländer wie Industrieländer, weil sie beide unterschiedslos den völkerrechtlich verankerten Menschenrechten verpflichtet sind. Ein ähnliches Verfahren hat bereits die Welternährungsorganisation FAO praktiziert, deren 190 Mitgliedstaaten 2004 „Freiwillige Richtlinien zum Recht auf Nahrung“ zur besseren Qualifizierung nationaler Ernährungssicherungsstrategien verabschiedet hatten.

Bei einem „Side Event“ in Poznan haben „Brot für die Welt“ und Germanwatch anlässlich der Vorstellung ihrer Studie „Climate Change, Food Security and the Right to Food“ für ein solches Vorgehen geworben und viel Zustimmung erfahren. Weil dieser Ansatz potentiell geeignet ist, die Blockade bei den Verhandlungen des Anpassungsfonds aufzulösen, soll das Konzept nun rasch in Form einer formellen „Submission“ in die Verhandlungen eingebracht werden. In der nächsten Woche könnten Gespräche mit Regierungsdelegationen folgen.

Thomas Hirsch, „Brot für die Welt“

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